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Eyecatcher: Der Fuchs, der nach Beute springt, ist der erste Blick­-fänger in der neu-en Ausstellung.
Seit Anfang April zeigt das Bündner Naturmuseum die selbst realisierte Wanderausstellung «Der Fuchs – Meister der Anpassung». Doch wie entsteht überhaupt so eine Eigenproduktion?

Nein, er ist kein schöner Anblick. Im Gegenteil. Haarausfall am ganzen Körper. Dicke Schuppen auf der Rückenpartie. Entzündete, verkrustete Hautstellen. Blutunterlaufene Augen. Brandmager. Seine Krankheit hat ihn gezeichnet. Und letztlich umgebracht, durch Verhungern. Jetzt steht er als Präparat mitten in der jüngsten Eigenproduktion des Bündner Naturmuseums (BNM) in Chur, der räudige Fuchs, ein eindrückliches Anschauungsobjekt zum Thema «Leben meistern». Denn in dieser Disziplin ist er eigentlich ein Könner, der Rotbraune. Ein Überlebenskünstler. Doch gegen die Grabmilbe Sarcoptes scabiei kann auch er nichts ausrichten. Haben ihn die winzigen Spinnentiere befallen, in seine Haut gebohrt, sich vermehrt, ist sein Schicksal meist besiegelt.

Geschätzte Betriebszeit: Zehn Jahre

«Wir haben im Team lange diskutiert, ob wir das zeigen wollen», meint Museumsdirektor Ueli Rehsteiner zum Präparat des Räudigen. Der Entscheid war: Ja, wir muten es dem Publikum zu, denn es ist reale Natur. Und dieser Entscheid ist nur einer von sehr vielen, die das Team in den rund anderthalb Jahren Vorbereitungszeit vor der Eröffnung der neuen BNM-Ausstellung diesen April fällen musste. «Der Fuchs – Meister der Anpassung», so heisst sie, und sie wird in Chur noch bis im Januar 2026 zu sehen sein. Dann geht sie auf Wanderschaft, denn dafür ist sie konzipiert: Andere Museen an anderen Orten werden sie ebenfalls zeigen.

«Nur für ein paar Monate hier bei uns wäre der Arbeitsaufwand, den wir in die Ausstellung gesteckt haben, zu gross», sagt Rehsteiner. Dank der Ausleihe an weitere Häuser werde sich die Betriebsdauer der Sonderschau auf etwa zehn Jahre verlängern lassen. Und natürlich lässt sich so auch ein Teil der Ausgaben wieder einspielen. «Das Interesse Dritter, die Ausstellung zu zeigen, ist gross. Wir haben schon während der Vorbereitung mehrere Anfragen bekommen.»

«Keine angenehme Arbeit»: Das Präparat des räudigen Fuchses war für Fachmann Jarno Kurz eine besondere Heraus-forderung.
«Keine angenehme Arbeit»: Das Präparat des räudigen Fuchses war für Fachmann Jarno Kurz eine besondere Heraus-forderung.

«Emotionen sind ein wichtiger Aspekt»

Weshalb dieses grosse Interesse? «Es liegt wohl am Sujet», vermutet Rehsteiner. «Der Fuchs ist uns in vielerlei Hinsicht bestens bekannt, aus Fabeln und Märchen, Kinderbüchern und Redewendungen. Wegen Krankheiten wie der Tollwut. Oder in jüngerer Zeit auch als Stadtbewohner.» Der Fuchs sei in unseren Köpfen «irgendwo zwischen Schädling und Nützling» angesiedelt, «es gibt also Berührungspunkte, auch emotionale. Das fasziniert.» Emotionen, ist der BNM-Direktor überzeugt, seien ein wichtiger Aspekt im Bezug des Menschen zur Natur – und damit auch einer Ausstellung. «Neben der Wissensbasis, die wir vermitteln wollen.»

Eine eigene Ausstellung kreieren, Wissen und Emotionen vermitteln: Wie geht man das an? Zumal diese Kernaufgabe des Museums eine «relativ anspruchsvolle Sache» ist, wie Rehsteiner zugibt. Erst recht bei einer Schau, die für die spätere Weiterreise mobil sein muss, denn: «Besucherinnen und Besucher von Naturmuseen gehen bevorzugt in das Museum in ihrer Nähe. Die Leute reisen nicht unbedingt von weit her an. Also geht die Ausstellung zu ihnen.»

«Anspruchsvolle Sache»: Museumsdirektor Ueli Rehsteiner – hier beim Aus-stellungsmodul zum Fuchs in der Stadt – hält bei den Sonderschauen alle Fäden zusammen.
«Anspruchsvolle Sache»: Museumsdirektor Ueli Rehsteiner – hier beim Aus-stellungsmodul zum Fuchs in der Stadt – hält bei den Sonderschauen alle Fäden zusammen.

Hin und Her zwischen Szenograf und Museum

Damit das möglich wird, braucht es unter anderem die entsprechende Möblierung, in diesem Fall gestaltet von Szenograf Roland Eberle, mit dem das BNM schon mehrmals zusammengearbeitet hat. «Zu Beginn haben wir Vorprojekte erarbeitet mit Ideen, wie man die Ausstellung inszenieren könnte», erzählt Eberle. «Dann habe ich den Prototyp eines Basiselements gebaut, und das Museumsteam hat Vorschläge für die Inhalte kreiert. Die haben wir dann auf die Möbel umgesetzt. Es ist eine Art Pingpong, ein Hin und Her.»

«Wir fragen uns zu Beginn im Museumsteam: Welches Thema wollen wir aufgreifen?», ergänzt Rehsteiner. «Konzentrieren wir uns auf ein einzelnes Tier? Eine Pflanze? Einen Aspekt aus der Geologie? Oder soll es um einen Lebensraum und die darin vorkommenden Arten gehen, wie bei der Gipfelstürmer-Ausstellung von 2019?» Eine Vorlaufzeit von einem Jahr sei das Minimum, «denn gerade der Präparator braucht diese Zeit, um die nötigen Objekte zu organisieren oder selber herzustellen, das ist aufwendig und nicht immer einfach.» Steht das Thema einmal fest, müssen die verschiedenen Unteraspekte definiert werden, die man zeigen möchte. «Da gibt es einige, die für das Verständnis beispielsweise einer Tierart einfach zentral sind – Körperbau, Sozialsystem, Nahrung, Lebensraum, und so weiter. Und jeder dieser Aspekte bekommt in der Sonderschau einen Eyecatcher, der die Emotionen der Menschen anspricht.»

 

Eyecatcher: Auch das Jagdamt hilft mit

Ein Fuchs, der gerade nach einer Maus springt. Eine säugende Füchsin. Der Räudige. Sie alle sind solche Blickfänger, aber wo holt man die Tiere für die Präparate her? «Dass wir bestimmte Exemplare suchen, haben wir dem Amt für Jagd und Fischerei frühzeitig kommuniziert», sagt Rehsteiner. «So haben wir sie dann auch bekommen, da profitieren wir sehr. Schwierig war es diesmal beispielsweise, Jungtiere aufzutreiben. Oder die Säugende. So eine wird ja nicht geschossen. In unserem Fall war sie ein Unfallopfer. Generell wurde kein Fuchs extra für diese Ausstellung erlegt.»

Was auch frühzeitig bereit sein muss: die Texte für die Ausstellungstafeln, denn sie sind umfangreich und müssen noch übersetzt werden, im aktuellen Fall in sämtliche Kantonssprachen. «Wichtig ist im ganzen Prozess einfach, dass die Zahnräder gut ineinandergreifen. Einer unserer Vorteile dabei ist, dass wir relativ viel Arbeit inhouse erledigen können», erläutert Rehsteiner. «Vier unserer Leute haben die Inhalte bearbeitet, unser Präparator ist ebenfalls dabei, und unsere Haushandwerker sind auch im Einsatz.» Trotzdem braucht es aber ein erweitertes «Team BNM plus», wenn man es so nennen will: mit Szenograf Eberle, der Grafikerin Regula Ehrliholzer, einem externen Schreinereibetrieb, der die Ausstellungsmodule fabriziert, und dem Techniklieferanten, der beispielsweise für die nötigen Bildschirme zuständig ist.

Ein Künstler und sein Werk: Jarno Kurz arbei­tet als Zoologischer Präparator für das Bündner Naturmuseum.
Ein Künstler und sein Werk: Jarno Kurz arbei­tet als Zoologischer Präparator für das Bündner Naturmuseum.

Das Fuchsleben: «Ein Hindernislauf»

Ja, die Bildschirme: Interaktivität spielt längst eine wichtige Rolle in Museumsproduktionen. Da gibt es Interviewfilme mit Fachleuten, die man sich anschauen kann. Hörstationen mit Märchen für die jüngsten Besucherinnen und Besucher. Eine Fuchshöhle, in die man hineinkriechen kann. Und Spiele, meist gemeinsam mit Eberle erdacht. Denn die Kinder sollen ja stets auch etwas in der Ausstellung finden, das sie interessiert und bei dem sie mitmachen können. Wie beim Labyrinth zum Thema «Leben meistern», durch das man eine Kugel so steuern muss, dass sie in keines der Löcher auf dem Weg fällt. «So, wie ein Fuchs verschiedenen Gefahren ausgesetzt ist und ihnen ausweichen muss», vergleicht Rehsteiner. «Sein Leben ist ein permanenter Hindernislauf.»

Der Räudige: Für ihn ist der Hindernislauf schlecht ausgegangen – wie schlecht, das hat nicht zuletzt BNM-Präparator Jarno Kurz aus nächster Nähe erfahren. Den verhungerten kranken Fuchs für die Ausstellung herzurichten, sei diesmal die grösste Herausforderung gewesen, meint Kurz. Vereiterte Hautpartien, die Haut überhaupt brüchig und rissig, «das verursacht beim Präparieren gerne Löcher. Und gleichzeitig sollte das Tier am Schluss nicht allzu unästhetisch aussehen.» Die Schuppen der Räude beschränkte Kurz deshalb auf die Rückenpartie, obwohl der Fuchs sie noch an weiteren Stellen aufwies. «Und die Augen hätte ich eigentlich grau machen müssen, also fast blind. Aber das hätte wirklich nicht schön ausgesehen.» Jedenfalls: Das Präparieren sei in diesem Fall sehr aufwendig und anspruchsvoll gewesen. «Es war keine angenehme Arbeit», gibt er zu.

Seit 40 Jahren Ausstellungs­gestalter: Roland Eberle hat schon mehrfach als Szenograf für das Bündner Naturmuseum gearbeitet.
Seit 40 Jahren Ausstellungs­gestalter: Roland Eberle hat schon mehrfach als Szenograf für das Bündner Naturmuseum gearbeitet.

Die Schau muss überall funktionieren

Natürlich ist der Aufwand auch bei anderen Präparaten nicht gerade gering. «Zuerst», erklärt Kurz, «stelle ich jeweils eine Plastik her, auf die ich dann die gegerbte Haut des Tiers aufziehe. Ich setze Glas­augen ein, die ich von spezialisierten Firmen beziehe. Das Gesicht modelliere ich dann in mehreren Arbeitsschritten. Dafür suche ich gezielt nach Bildern im Internet und versuche, diese zu kopieren. Wichtig ist ausserdem, dass die Haltung und die Muskelspannung des Tiers der Natur entsprechen.» So, wie es ihm unter anderem auch beim Fuchs gelungen ist, der im Sprung eine Maus packen will – quasi das Wahrzeichen der Sonderschau.

Szenograf Eberle sorgt dafür, dass die Eyecatcher dann ins rechte Licht gerückt werden, wortwörtlich. «Die Sonderschau», sagt er, «muss nachher in jedem Museum funktionieren. Deshalb haben alle Module ihr eigenes Licht.» So sind die gezeigten Exponate stets optimal ausgeleuchtet. Gleichzeitig funktionieren die Ausstellungsmöbel unabhängig, «das ist wichtig bei einer Wanderausstellung. Und: Sie müssen alle zusammen in einen einzigen Lastwagen passen. Auch das muss man immer im Blick behalten.»

 

«Ein Glück, wenn man so arbeiten darf»

Für Eberle hat die Sonderschau in Chur notabene eine ganz besondere Bedeutung. Nach 40 Jahren Ausstellungsgestaltung hat er das Ruhestandsalter erreicht. «Das hier wird wohl meine letzte sein», sagt er. Lächelnd, aber nicht ohne Bedauern: «Hier im Naturmuseum war die intellektuelle Auseinandersetzung für uns immer besonders spannend. Es ist ein echtes Glück, eine Trouvaille, wenn man so arbeiten darf.» Für das BNM wird es weitergehen. «Etwa jede fünfte Sonderschau, die wir zeigen, ist eine Eigenproduktion», rechnet Direktor Rehsteiner vor. Und schaut man sich den Rhythmus der letzten Jahre an, dann wird sich das Team BNM schon bald wieder fragen, mit genügend Vorlaufzeit: Was könnten wir als Nächstes zeigen?

Weitere Infos

Jano Felice Pajarola ist Redaktor der Tageszeitungen «Die Südostschweiz» und «Bündner Tagblatt».janofelice.pajarola@somedia.ch

Online www.naturmuseum.gr.ch

Ausstellung bis 18. Januar 2026