Bündner Luft
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Terra Grischuna: Dr. Spielmanns, spüren Sie als Pneumologe selbst den Unterschied zwischen verschiedenen Höhenlagen?
Auf jeden Fall. Wenn ich von zu Hause auf 400 Metern nach Davos auf 1700 Metern fahre, merke ich sofort den niedrigen Luftdruck. Besonders wenn ich in der Klinik noch Treppen steige. Das ist schon ein rechter Unterschied.
Was macht Bergluft wissenschaftlich gesehen gesünder als Stadtluft?
Der entscheidende Faktor ist die geringere Schadstoffbelastung. Bergluft enthält deutlich weniger Feinstaub und Pollen als Stadtluft. Diese Feinstäube sind das eigentliche Problem: Je kleiner die Partikel, desto tiefer dringen sie in die Atemwege ein. Die allerkleinsten Nanopartikel können sogar direkt in den Zellkern penetrieren und dort das Genom verändern – im schlimmsten Fall kann das Krebs auslösen.
Wie steht die Schweiz bei der Luftqualität da?
Prinzipiell exzellent, auch in Zürich. Da hat sich seit 1985 viel getan. Aber wir sind grossen Luftströmen ausgesetzt. Wenn in Norditalien die Schwerindustrie läuft und der Föhn kommt, haben wir hier messbar Belastungen. Das kennen Sie auch vom Sahara-Staub – der kommt bis zu uns.
Für welche Menschen ist Bergluft besonders vorteilhaft?
Vor allem für Menschen mit Vorerkrankungen. Für kranke Leute, die schon vorgeschädigt sind, kann schlechte Luftqualität ein zusätzliches Problem werden. Nicht isoliert, aber in der Summe: Erkrankung plus Luftbelastung.
Ein weiterer Faktor ist die Temperatur, sagten Sie.
Genau. Pro 100 Meter Höhe haben Sie etwa ein halbes Grad weniger. Wenn Sie in Zürich 30 Grad haben und in Davos nur 25 Grad, ist das ein rechter Unterschied. Für Herz-Kreislauf-Erkrankte ist hohe Hitzebelastung ein enormes Problem. Viele Studien zeigen: Die Sterblichkeit steigt bei Hitzewellen in grossen Städten.
Eine holländische Studie hat gezeigt, dass Asthma-Reha in Davos erfolgreicher ist als an der Küste. Warum?
Die Holländer wollten wissen, ob ihre Patienten wirklich nach Davos müssen oder ob Reha an der Küste genauso gut funktioniert. Das Ergebnis: Die Reha in Davos stabilisiert das Asthma nachhaltiger. Das ist aber die einzige Studie, die das so untersucht hat.
Sie unterstützen die ÖKK-Aktion mit Graubünden Ferien. Die Aktion verspricht ab drei Tagen eine Gratisnacht in den Bergen – quasi als gesundheitliche Präventionsmassnahme. Ist das medizinisch sinnvoll?
Der dritte Tag ist eher Marketing. Aber man adaptiert sich tatsächlich nach ein paar Tagen. Der niedrigere Luftdruck bedeutet: Das Herz muss mehr leisten, weil der Sauerstoff schlechter ins Blut kommt. Das nivelliert sich aber nach zwei bis drei Tagen.
Stimmt es, dass Menschen in der Höhe sogar abnehmen können?
Das ist tatsächlich möglich. Leben in der Höhe ist ein bisschen Stress für den Körper. Je höher Sie kommen, desto mehr müssen Sie leisten. Allerdings: In extremer Höhe kann das auch schädlich werden. Die Sherpas in den Anden haben alle Lungenhochdruck.
Welchen Patienten würden Sie von Höhenaufenthalten abraten?
Bergluft ist grundsätzlich gut. Man muss nur schauen, wen man wie hoch hinauf schickt. Unsere Klinik hat etwa 300 bis 400 Lungenpatienten im Jahr in Davos. Vielleicht eine Handvoll müssen wir wieder runterschicken, weil sie sich da oben nicht gut bewegen können. Aber das kommt selten vor.
Was raten Sie Menschen mit Atemwegsproblemen, die einen Bergurlaub planen?
Bei Vorerkrankungen sollte man Rücksprache mit seinem Arzt halten. Die Schweizer Ärzte kennen das Thema. Mein Tipp für Unsichere: Fahren Sie nach Davos, laufen Sie aufs Jakobshorn und bewegen Sie sich da oben. Wenn es nicht funktioniert, fahren Sie schnell wieder mit der Gondel runter.
Sie empfehlen das auch als Test für Flugreisen?
Ja, ein Langstreckenflug ist von der Belastung her etwa wie ein Spaziergang auf 2500 Metern Höhe. Wer das in Davos nicht schafft, sollte bei Interkontinentalflügen vorsichtig sein.
Ist regelmässige Bergluft also eine gute Präventionsmassnahme?
Definitiv. Schaden kann das nie. Wenn man das mit einem Städteurlaub in Mailand vergleicht – da würde ich das bevorzugen. Norditalien ist ordentlich belastet.
Hand aufs Herz: Gönnen Sie sich selbst bewusst Bergluft?
Ich bin Bergfan, deshalb bin ich in die Schweiz gekommen. Ski fahren, wandern – das ist mein Ding. Man geniesst die Vorzüge: niedrige Temperaturen, man schläft besser im Sommer, bessere Luftqualität. Und natürlich das gute Essen.
ÖKK und Graubünden Ferien lancieren erstmals eine gemeinsame Gesundheitsaktion, die auf den medizinisch belegten Vorteilen der Bergluft basiert. Wer bis Ende Oktober 2025 mindestens drei Nächte in einem der 200 Partnerhotels in Graubünden verbringt, erhält die letzte Nacht im Wert von bis zu 160 Franken geschenkt. Die Aktion steht allen volljährigen Personen mit Schweizer Wohnsitz offen – eine ÖKK-Versicherung ist nicht erforderlich. Nach der Voranmeldung auf graubuenden.ch/bergluft können Gäste mit dem bestätigten Rechnungsbeleg die Rückerstattung beantragen. Die Kooperation umfasst sieben Graubündner Destinationen und verbindet Gesundheitsprävention mit Tourismusförderung.
Julian Reich ist Redaktionsleiter der Terra Grischuna.