Claudio Danuser vor der Opera-Engiadina-Wand im Rondo Pontresina. (Foto: Mayk Wendt)
Es war im Juli 2019, als Claudio Danuser zur Dernière der Opera St. Moritz eingeladen wurde. Der damalige Intendant, Martin Grossmann, hatte ihn gefragt. Bereits im Vorfeld war diskutiert worden, ob Claudio Danuser eventuell die Opera St. Moritz übernehmen könnte. Claudio Danuser kam an diesem Abend mit einem Gemeinderat aus Pontresina ins Gespräch. Er hätte da eine Idee, liess er diesen wissen und erklärte auch gleich, wie er sich ein neues Konzept vorstellte. Ihm schwebte vor, nicht nur einmalig im Sommer eine Oper zu inszenieren, sondern «mit einem ganzjährigen Programm den Humus für eine Opernlandschaft im Engadin zu kreieren.»
Claudio Danuser tritt auch zusammen mit seiner Tochter Flurina, Musical-Studentin an der Stage School Hamburg, auf. (Foto: Balz Murer)
Kaum zwei Monate nach der erwähnten offenen Chorprobe wurde der Aufbruch durch den Coronalockdown lahmgelegt. Die geplanten Konzerte mussten verschoben werden, ebenso die bereits aufgegleisten Forumsanlässe. Die neue Situation konnte aber Claudio Danusers Begeisterung nicht dämpfen. «Wenns so nicht geht, machen wir halt etwas Kleines», entschied er und dachte an eine kleine Oper mit nur sechs Solisten und kleinem Orchester wie die Rossini-Oper «La cambiale di matrimonio». «Die Oper liess sich ideal für Graubünden adaptieren, besonders auf sprachlicher Ebene», erklärt er. «Kommt im Original ein fremder Kaufmann aus den USA nach London und staunt über das britische Englisch, so ist es bei uns ein Sursilvaner, der im Engadin auf das eigenartige Engadiner Romanisch stösst.»
Durch eine zufällige Begegnung mit Chasper Curò Mani entwickelte sich für die Inszenierung eine Zusammenarbeit mit der Operetta giò’n Plazzetta Ardez. Und in dieser künstlerischen Gemeinschaft – auch mit dem Lyceum Alpinum Zuoz und dessen Theaterregisseur Ivo Bärtsch – entstand das Projekt der ersten rätoromanischen Rossini-Oper, welches Corona zum Trotz diesen Sommer mit zehn Vorstellungen erfolgreich durch das Engadin, das Bergell und nach Arosa tourte.
Eine szenische Oper ist von Claudio Danuser künftig alle zwei Jahre angedacht. Dazwischen stehen Chorkonzerte auf dem Programm. Ein weiterer Baustein ist das Oper-Forum. Das heisst Vorträge, Künstlergespräche oder kleine Konzerte über das Engadin und die Südtäler verteilt. So zum Beispiel ein Konzertvortrag zu Richard Wagners Zeit in der Schweiz und seine ersten Skizzen zum Ring der Nibelungen aus Zürich. Dieser Matinee findet am 7. November in der Fundaziun Nairs in Scuol statt. Ganz klar vorgegeben ist bei allen Veranstaltungen stets: «Es muss alles immer mit Opern in Verbindung stehen. Innerhalb dieser Verbindung gibt es aber keine Grenzen.»
Auch die Jugend ist Claudio Danuser ein Anliegen. Der Club Giuven ist bereits gegründet. Das Lyceums Alpinum Zuoz und die Academia Engiadina Samedan bieten Hand, ihre Schüler als zukünftige Mitglieder zu begeistern.
Die Entscheidung von Claudio Danuser, gegen Ende seiner internationalen Laufbahn im Engadin tätig zu werden, kommt nicht von Ungefähr. «Es ist für mich ein ‹Back to the roots›», erklärt er. Seine Urgrossmutter, Martha Ligna-Tratschin, stammte aus einer alteingesessenen Pontresiner Familie. Im Jahr 1896 heiratete sie Theodore Danuser, der das Hotel «Bär & Post» in Zernez führte. 1897 wurde Claudio Danusers Grossvater geboren. Nach dem frühen Tod ihres Mannes kehrte die Urgrossmutter mit ihrem Sohn zurück nach Pontresina, wo sie mit zwei Schwestern einen Kolonialwarenladen führte und Fremdenzimmer vermietete. Claudio Danusers Vater absolvierte ein Ingenieurstudium, arbeitete sechs Jahre in Indien, danach bei den Schweizerischen Bundesbahnen in Bern, wo Claudio Danuser aufwuchs. «Alle meine Vorfahren liebten die Oper», sagt Claudio Danuser. In diesem Sinne ist der Anlass am 24. Oktober im Hotel «Bär & Post» in Zernez für ihn ein Zurückkommen an den Ort seiner Ahnen. Das Hotel wird heute in vierter Generation der Nachkommen seiner Urgrosseltern geführt. Claudio Danuser wird an diesem Anlass vom langen Weg der Oper ins Engadin erzählen, begleitet von Gesangseinlagen seiner Tochter Flurina, Absolventin der Hamburger Musical Stage School.