Carl Albert von Salis, vermutlich 1934. (Foto: zVg)
Die eindrückliche Seenlandschaft von St. Moritz bis Maloja hat viele heimische und zugewanderte Künstler inspiriert. Ihre Gemälde werden heute teils zu schwindelerregenden Summen im Kunsthandel und auf dem Auktionsmarkt verkauft. Carl Albert von Salis gehört nicht dazu, denn sein Werdegang – trotz nahen Verbindungen zum Engadin – war ein anderer.
Der Lebensweg des Carl Albert von Salis ist gekennzeichnet durch viele Reisen, auch auf Irrwegen. Geboren wurde er 1886 in Turin, Vater Robert von Salis – aus dem Zweig der von Salis-Soglio stammend – war Textilunternehmer und früh nach Turin, später nach Genua ausgewandert. In Italien hat er die Mutter von Carl, Elise Annette Gruber, geheiratet. Die Familie Gruber stammt ursprünglich aus Lindau, war im Bankgeschäft tätig und betrieb eine Textilunternehmung mit Tuchhandel in Genua. Sein Grossonkel Friedrich Gruber wurde auch «Napoleone Commercianti» (der Napoleon des Handels) genannt. Der Wohnsitz von Carl gemeinsam mit seinen vier Brüdern war die herrschaftliche Villa Gruber in Genua, die noch heute erhalten ist und in einem prächtigen Park mit weit über 10 000 Quadratmetern Gartenanlagen besucht werden kann.
Eine frühe Radierung mit der Hafenansicht von Genua um 1909. (Foto: zVg)
Aus der wohlbehüteten Genueser Heimat zog es ihn schon früh weg: Der Familientradition gehorchend, besuchte Carl von Salis eine Schweizer Schule, das humanistische Gymnasium in Basel, danach, da früh kunstinteressiert, schrieb er sich an der Kunstakademie in Karlsruhe ein, ab 1907 bis 1911 sodann an der Akademie der Bildenden Künste in München.
In seiner Freizeit war er stets seiner Heimat Graubünden verbunden – speziell dem Engadin, wo die Familie noch die Residenz in Bever hatte (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Hotel «Chesa Salis», das gegenüber liegt), die er regelmässig im Sommer für Bergwanderungen, im Winter für Skitouren besuchte. Aufgrund dieser Beziehung zum Engadin und seiner Freude am Alpinismus baute Carl von Salis dann auch die sogenannte «Plau da Sel» oberhalb Blaunca in Maloja – dies gemeinsam mit seinem Vetter «Nutsch», der in der Familie immer so genannt wurde. Er war der Sohn von Carl von Salis Tante und hiess in Wirklichkeit Karl Gruber. Die Hütte ist noch heute im Besitz der Nachkommen, ein noch erhaltenes Hüttenbuch gibt Auskunft über die durchaus renommierten Hüttengäste, so unter anderem der Begründer der Kölner Dada-Bewegung, Johannes Baargeld, aber auch Hans Mühlestein, der Kunsthistoriker und Schriftsteller, der unter anderem gemeinsam mit Georg Schmidt (ab den Dreissigerjahren Direktor des Kunstmuseums in Basel) die bis heute fundierteste Biografie über Ferdinand Hodler verfasst hat.
Bereits in dieser Zeit entstanden erste Gemälde der Oberengadiner Seenlandschaft sowie Gemälde mit Bergmotiven, aber Carl von Salis zog es immer wieder in die Ferne. Als wohlhabender Sohn einer alten Patrizierfamilie kannte er keine Not; Reisen gehörte zu seinen Leidenschaften. Er besuchte Süditalien und Sizilien oder Dalmatien, 1913 war dann der Aufbruch zu einer grossen Reise ins damalige Deutsch-Ostafrika. Seine Begleiter waren Freunde aus München von der Kunstakademie, Clary und Walter von Ruck- teschell – gemeinsam bauten sie in Moshi, nahe dem Kilimandscharo – ein Atelierhaus. Grund der Reise war ein Auftrag der «Deutschen Afrika-Linie» zur Ausgestaltung eines Luxusdampfers. Da Bündner, war das Jagen für von Salis ein wesentlicher Teil seines Lebens, und diese Leidenschaft hat er im heutigen Tansania intensiv ausgelebt – nicht ohne die erlegten Tiere auch zeichnerisch festzuhalten. Zudem war Carl von Salis der erste Schweizer auf dem Kilimandscharo, den er am 13. Februar 1914 bestiegen hat.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste von Salis Deutsch-Ostafrika fluchtartig verlassen, da sich Grossbritannien mit Deutschland im Krieg befand. Die Heimkehr führte über Südafrika nach London, wo er – aufgrund deutscher Stempel in seinem Reisepass – kurzfristig verhaftet wurde. Die damals geäusserten Verdächtigungen, er sei ein deutscher Nationalist, erwiesen sich als falsch – Carl von Salis war vielmehr ein lebensfroher und politisch neutraler Pazifist. Sein fast komplettes Werk aus Afrika musste er in Moshi zurücklassen – viele dieser Arbeiten gelten als verschollen.
Eines der seltenen Porträts von Carl Albert von Salis: eine Afrikanerin in Tansania. (Foto: zVg)
Aus der afrikanischen Zeit sind wie gesagt nur wenige Arbeiten von Carl von Salis bekannt, die meisten befinden sich in Privatbesitz. Ein Gemälde aus der Afrika-Zeit wurde vor wenigen Jahren in Südafrika (wo von Salis auf seiner Flucht aus Ostafrika Zwischenstation gemacht hatte) gefunden, heute ist es wieder im Besitz der Familie von Salis – ein weiteres Afrika-Bild hängt im Hotel «Schweizerhof» in Flims. In den Dreissigerjahren wurde in den «Quaderni grigionitaliana» von Professor Arnoldo M. Zendralli die bisher einzige auffindbare Werkliste von Carl von Salis publiziert, sie umfasst rund 400 Werke an Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken.
Seit einiger Zeit setzen sich Familienmitglieder der von Salis dafür ein, dass das Werk von Carl von Salis gründlich erfasst wird, sozusagen in einem «Catalogue raisoné», zuständig dafür ist im Auftrag der Familie Barbara Redmann aus Malans, die akribisch alle Informationen zum Künstler sammelt.
Nach seiner Flucht aus Deutsch-Ostafrika und seiner Freilassung in London kehrte von Salis in die Schweiz zurück und bezog das Familienhaus in Bever, dies, nachdem er sich 1921 mit Elly von Jenner verheiratet hatte. Ab dann war sein Lebenszentrum – sozusagen als Rückwanderer – das Engadin mit Wohnsitz in Bever und seiner geliebten Hütte oberhalb Malojas. Es gibt übrigens auf www.youtube.com einen Film mit dem Titel «Das Wolkenphänomen von Maloja» über die sogenannte «Maloja-Schlange», einem meteorologischen Phänomen des Ober- engadins, der vom deutschen Regisseur Arnold Fanck 1924 vor allem rund um die Hütte ob Blaunca gedreht wurden, entsprechend finden sich Einträge im Hüttenbuch.
«Winterlandschaft», im Titel beschrieben als Piz Corvatsch, Gemälde auf Leinwand, 1917. (Foto: zVg)
Das Werk von Carl Albert von Salis ist wenig bekannt, er war wohl – im Gegensatz zu seinen Malerkollegen, wie Segantini oder Giacometti, die auch Auftragsarbeiten ausführten – nicht auf die Einnahmen aus dem Verkauf seiner Kunstwerke angewiesen, obwohl er gut verkaufte. Und sein Nachlass ist durchaus heterogen: Da gibt es Berglandschaften, die Bestand haben, aber von anderer Qualität als die Werke Segantinis, Hodlers oder Giacomettis, da gibt es – und das ist ausserordentlich – einige Gemälde des Schweizer Künstlers aus der Zeit in Deutsch-Ostafrika mit Motiven und wenigen Porträts, zudem gibt es das Hüttenbuch aus der Salishütte mit vielen Zeichnungen von Carl von Salis, die durchaus eine Nähe zum Dadaismus erkennen lassen – denn von Salis soll ein witziger, unterhaltsamer und bisweilen sarkastischer Mensch gewesen sein. Von anderen Zeitströmungen in der Kunst liess er sich kaum beeinflussen; Expressionismus, Kubismus oder Surrealismus interessierten ihn zwar wohl, hatten aber keinen Einfluss auf seine Arbeit. Nur etwas ist «hän- gen geblieben»: Kasimir Malewitschs «Schwarzes Quadrat», und dies nicht wegen des flächigen Schwarz, sondern aufgrund des Formats: Nach 1913 – da wurde das Bild erstmals in St. Petersburg gezeigt – gibt es eine Vielzahl von Arbeiten von Salis, die quadratisch sind: allesamt in etwa im Format von Malewitsch – 80 × 80 cm (mit Abweichungen) – Zufall oder nicht, es ist leider nicht bekannt.
Zeit seines Lebens hat von Salis keine Einzelausstellungen realisiert: Überliefert ist eine Gruppenausstellung in Winterthur 1926, nach dem Tod von Carl von Salis 1941 (er starb in einem Schneebrett nahe seiner geliebten Hütte) widmete ihm das Bündner Kunstmuseum in Chur 1942 eine Gedächtnisausstellung – weitere Gruppenaus- stellungen sind in Basel, Zürich, St. Gallen und Genf nachgewiesen. Seither ist es still um Carl von Salis. In öffentlichen Kunstsammlungen trifft man die Werke von Carl von Salis selten: Das Bündner Kunstmuseum sowie die Capauliana-Stiftung haben je 13 Gemälde und Zeichnungen, die anderen Werke befinden sich wohl in Privatbesitz.
«Rote Bäume im Garten», Ölgemälde von 1916, aus der Zeit in Bever. (Foto: zVg)
Zurzeit ist im der «Chesa Salis» in Bever eine kleine Ausstellung arrangiert, die einen ersten – allerdings kleinen – Eindruck in das Werk des Künstlers vermittelt.
Carl Albert von Salis
Ausstellung einer kleinen Auswahl von Werken. Bis 17. April 2017, Hotel «Chesa Salis», Bever.