Gestalten statt treiben lassen

Über den Rhein, den Wandel und das Wandern

Irgendwie war da immer der Rhein: Aufgewachsen bin ich in Cazis am Hinterrhein, das Gymnasium besuchte ich am Vorderrhein, genauer in Disentis. Und in Basel, wo der Rhein sein Knie beugt, sah ich die Universität von Innen (öfter, zu oft vielleicht, sass ich irgendwo am Rheinbord und schaute dem Fluss beim Fliessen zu). Dabei fragte ich mich manchmal, wie lange ein Wassertropfen von hier nach dort braucht, von der Quelle des Vorderrheins nach Basel zum Beispiel. Für diese Ausgabe habe ich es endlich ausgerechnet: Bei einer Fliessgeschwindigkeit von etwa zwei Metern pro Sekunde – je nach Wassermenge und Topografie variiert es – dauert es rund zwei Tage und sechs Stunden, bis der Rhein bei Basel die Schweiz verlässt. Und noch einmal fast einen Monat, bis er in die Nordsee mündet. 

Das hat mich überrascht – wie so vieles, was wir für diese Ausgabe zusammengetragen haben. Wie stark das Rheinwasser und das Gefälle seiner Täler für die Wasserkraft genutzt wird zum Beispiel: Noch lange bevor der Rhein zum Strom wird, wird er zu Strom. Bedrückt hat mich, wie sehr der Rhein von Schadstoffen belastet ist, selbst im Tomasee wurde Mikroplastik gefunden. Immerhin geht es den Fischen besser als auch schon, vor allem dank einer Fischtreppe, die vor wenigen Jahren im Kraftwerk Reichen­au installiert wurde. Seither schwimmen sogar wieder Bodenseeforellen in den Läufen von Vorder- und Hinterrhein. Und wenn bei Bad Ragaz dereinst der Rhein revitalisiert ist, werden auch dort Flora und Fauna diverser.
In dieser Ausgabe finden Sie gelegentlich kleine Anpassungen in Gestaltung und Formaten. Wir arbeiten derzeit daran, die «Terra Grischuna» fit zu machen für die Zukunft und sind dafür auf Ihre Mithilfe angewiesen. So finden Sie auf unserer Webseite eine Umfrage, mittels der wir herausfinden möchten, was Ihnen gefällt und was nicht, welche Themen Sie vermehrt lesen möchten und welche weiteren Ideen Sie vielleicht haben – denn wie ein Fluss nie derselbe ist, wenn man in ihn steigt, so ist auch alles andere einem ständigen Wandel unterworfen. Diesen wollen wir gestalten, statt uns treiben zu lassen. 

Ich möchte Sie zudem einladen, mit mir am Hinter­rhein wandern zu gehen, dort eben, wo ich aufgewachsen bin: Am 14. Juni führe ich eine Wandergruppe von Thusis in die Viamala-Schlucht. Gern erzähle ich dann, was ich weiss – bin aber ebenso gespannt darauf, Sie als unsere Leserinnen und Leser besser kennenzulernen. Alle Informationen dazu finden Sie auf Seite 49.
Nun wünsche ich Ihnen eine gute Lektüre – und vielleicht ja auf bald am Rhein.

Julian Reich 
Redaktionsleiter

PS: Eine Geschichte, die leider keinen Platz im Heft fand: Vor 70 Jahren sorgte die Sichtung eines Belugawals im Rhein für Aufsehen. Er war einem Zootransport entflohen und gelangte bis Bonn, 600 Kilometer von der Rheinmündung entfernt. Trotz vieler Versuche, ihn wieder einzufangen, schwamm er schliesslich in die Nordsee Richtung Freiheit. Sein Spitzname: Moby Dick.