Harte Kost für Eisenbahnliebhaber: Mit roher Gewalt wird die «Raetia» in Stücke gerissen.
Melancholie hing in der Luft an jenem verhangenen Februarmorgen, als die vor 64 Jahren gebaute und auf den Namen «Raetia» getaufte Ge 6/6 II 701 im Schlepp der Schwesterlok 702 «Curia» von Landquart kommend im Churer Güterbahnhof einfuhr – zur grossen Überraschung der Fotografen, welche sich zum Abschied eingefunden hatten. Dass die Abbruchkandidatin ihre letzte Fahrt ausgerechnet zusammen mit ihrer nur einen Monat jüngeren Schwester unter die Räder nimmt, und das offenbar rein zufällig, damit rechneten die wenigsten. Umso eifriger das Klicken der zahlreichen Fotokameras. «Schon verrückt; die zur Verschrottung verurteilte ‹Raetia› sieht um Welten gepflegter aus als die noch in Betrieb stehende ‹Curia›», wundert sich einer der Anwesenden, während er die beiden fürs Abschiedsfoto schön nebeneinander posierenden Lokomotivschwestern auf den Chip bannt. «Stimmt – vielleicht sollte mal jemand rasch beim Flottenchef nachfragen, ob er sich wirklich sicher sei, dass die saubere 701 entsorgt werden soll und nicht etwa die heruntergekommene 702», spöttelt ein anderer. «Weder die eine noch die andere», unterbricht ein dritter empört das Gelächter. Er könne es einfach nicht verstehen, dass die altbewährte Lokomotive nun entsorgt wird. «Wetten, die neuen, mit Elektronik vollgestopften Züge werden nicht annähernd so lange in Betrieb stehen wie die gute alte ‹Raetia›»? Stummes Kopfnicken in der Runde.
Tempi passati: Die Ge 6/6 II 701 unterwegs mit einem Schnellzug bei Bever.