Wohl jede Bündnerin und jeder Bündner hat eine Geschichte über die Rhätische Bahn zu erzählen, sagt Direktor Renato Fasciati in dieser Ausgabe. Nun, meine Geschichte ist nicht nur schön: Zwar erfreuten wir uns an den platt gewalzten Fünfräpplern, die der Zug hinterliess, nachdem wir sie auf die Schiene gelegt hatten. Aber dieser Zug kostete eben auch der einen oder anderen unserer Katzen das Leben. Später wurde der Bahnhof zum Treffpunkt unserer Clique, bevor er zu jenem Ort wurde, von dem wir in den Ausgang oder zum Studium fuhren. Manche kehrten heim, andere blieben fort.
Die Bahn, sie war irgendwie immer schon da, quasi selbstverständlicherweise. Und das stimmt ja auch: 1890 fuhren die ersten Züge, dann wuchs das Schienennetz auf die heutige Grösse – und ist seit etwa 100 Jahren kaum grösser geworden. Sie tut ihren Dienst, und wie immer bei öffentlichen Einrichtungen ist es erst dann bemerkenswert, wenn sie es einmal nicht tut.
Doch die Eisenbahn ist mehr als nur ein Mittel, um von A nach B zu gelangen. Sie ist auch ein Ort des Innehaltens, an dem wir die Hektik des Alltags hinter uns lassen und uns der Schönheit der Landschaft widmen können. Sie ist eine Erinnerung daran, dass der Weg genauso wichtig ist wie das Ziel.
Als Bündner kann man also leicht einmal vergessen, was man an der RhB eigentlich hat. Sie ist einer der grössten Arbeitgeberinnen im Kanton und geradezu essenziell für den Nahverkehr. Aber sie ist eben auch ein touristischer Faktor, und das vor allem deshalb, weil die Väter dieser Bahn die Strecke auf kühnste Art und Weise anlegten. Fast, als wäre es ihnen vor allem darum gegangen, die Landschaft und die Möglichkeiten der Technik bestmöglich zu inszenieren.
Auch davon erzählt die Ausgabe, die sie in den Händen halten. Wir sind dafür an Orte gegangen, an die man normalerweise nicht gelangt: in den Albulatunnel, in den Führerstand einer Lokomotive und auf Streckenkontrolle durch das UNESCO-Welterbe. Lassen Sie sich überraschen.
Ich wünsche gute Lektüre.
Julian Reich
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