Von der Arvenstube bis zum neuzeitlichen Holzski

Holz Gitarren

Der Gitarrenbauer Claudio Pagelli in seinem Holzlager für die feinen Gitarren. (Foto: zVg)

Die lange Tradition der Holzverarbeitung
Der Kanton Graubünden hat eine lange Tradition der Holzverarbeitung mit Häusern aus Holz mit entsprechender Inneneinrichtung, mit Möbeln und dem Fiasko des Sägereiwerks in Domat/Ems. Es wird aber noch immer mit Holz gearbeitet – auch mit neuzeitlichem Design und Produkten
Text 
Christian Dettwiler

Es ist eigentlich kunsthandwerklicher Idealismus pur: Der Skicrosser Conradign Netzer aus Masein hatte sich vor drei Jahren entschieden, auf werbeträchtige Verträge mit Skifirmen zu verzichten und hatte seine Ski selber gefertigt – aus Holz. Es war für Netzer nicht die ganz grosse Karriere im Weltcup der Skicrosser, es reichte immerhin bisweilen zu einem Podestplatz. Netzer, der im Hauptberuf Schreiner ist, entschied sich 2014, mit eigenen – aus Holz gefertigten – Ski im Weltcup zu fahren. Er meinte damals in einem Gespräch mit der «Südostschweiz»: «Ich habe eigentlich keine Ahnung vom Skibau.» Entsprechend ist er gescheitert, aber: «Ich habe mindestens so viel Spass wie in den letzten Jahren des Weltcups.» Auch die Firma Zai in Disentis hat Ski im Angebot, die zwar nur einen Holzkern haben. Es gibt aber auch Modelle mit Granitkern. Die Zukunft der Firma steht jedoch auf wackeligen Beinen, die Produktion in Disentis soll eingestellt werden.

 

Ebenfalls im Schnee

Holz zu biegen, sei es im Möbel- oder Karosseriebau, ist seit vielen Jahren die Kernkompetenz des Schweizer Wagnereibetriebs Graf – weshalb man ihn nicht selten auch dann ruft, wenn Schwierigkeiten auftreten und aussergewöhnliche Lösungen gefragt sind. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass sich der Davoser Schlitten – der Schlittenklassiker schlechthin – aus seinem Betrieb durch eine Materialität und Verarbeitung auszeichnet, die ihresgleichen sucht und ihn von vielen Epigonen meilenweit abhebt. Dies zeigt sich in jedem Detail, etwa bei der Stärke des verwendeten Eschenholzes, der enormen Stabilität der Verstrebungen an den Böcken oder den opulenten Gleitschienen, die vorne wie hinten weit um die Enden der Kufen herumgeschlagen sind und so für zusätzliche Festigkeit sorgen. Ein Davoser Schlitten vom Hersteller Graf ist somit nicht nur ein Schlitten, der seit Generationen gefertigt wird, sondern auch einer, der Generationen überdauern kann. Schönheitsfehler an der ganzen Geschichte: Die Davoser Schlitten werden heute nicht mehr in Graubünden, sondern in Sulgen im Kanton Thurgau hergestellt, und es gibt auch ausländische Anbieter von Davoser Schlitten. Hier wurde einmal mehr – wie beim Emmentaler Käse – verpasst, einen Markennamen zu schützen.

Davoser Schlitten

Mit dem Davoser Schlitten macht es einfach Spass. (Foto: Yanik Bürkli

Holz auch zu Hause

Es war eine lange Tradition im Bündner Kunsthandwerk, dass im Winter zu Hause Holz bearbeitet wurde. Die Männer waren im Wald beim Holzschlagen und in den langen Winternächten hatten sie Zeit, aus Holz Gerätschaften für den Haushalt und die Milchproduktion sowie Holzkessel für die Rahmfertigung oder Holzformen für den Käse zu fertigen.
Für eine kunsthandwerkliche Rarität sorgte die ­Familie Ambühl in Davos über Generationen: Sie fertigten Holzuhren an – die Uhren werden heute als Rarität gehandelt, denn es gibt nur noch wenige Exemplare. Sie wurden mit ihren Holzuhren als «Zytlimacher» bezeichnet, und es gab sie nicht nur in Graubünden, sondern Holzräderuhren gibt es auch aus anderen Regionen der Schweiz. Aber die Ambühls aus dem Sertigtal wurden durch die ­(heute etwas antiquierte) Genauigkeit und vor allem für den Schmuck der Uhren mit Farbe und Mustern bekannt.

Holzuhr

Davoser Holzräderuhr von 1692 aus der Werkstatt der Familie Ambühl. (Foto: Uhrensammlung Kellenberger)

Holz in zeitgenössischer Anwendung

Holz ist auch heute noch attraktiv, neben all dem Beton, der verbaut wird. Holz wird mit zeitgenössischem Design für den Innenausbau verwendet. Es sind zumeist allerdings nicht mehr die Arvenstuben, die eingerichtet werden, doch für Möbel ist Arvenholz immer noch beliebt. Musterbeispiel dafür ist der Schreinermeister Ramon Zangger in Samedan, der Arvenmöbel mit zeitgenössischem Design kombiniert. Auch Daniel Coray aus Ruschein ist ein äusserst kreativer Gestalter von Innenräumen mit verschiedenen Holzqualitäten – nicht zwingend aus Arve. Es ist Bewegung in der Holzszene für Design – und das ist gut so: Junge, krea­tive Menschen entdecken das Holz von Neuem, wenngleich Zangger nicht mehr zu den jungen zu zählen ist.

Piano Rätia

Mit Holz aus Graubünden: die Klavier­produktion von «Piano Rätia». (Foto: Marco Hartmann)

Holz und Musik

Es ist bekannt, dass in Cremona in der Lombardei die heute wertvollsten Streichinstrumente gebaut wurden, von Antonio Stradivari bis zu Guiseppe Guarneri. Doch auch der Instrumentenbau in Graubünden hat seine Stars – allerdings eher ­neuzeitlich. Waren in der Lombardei im 17. Jahrhundert die Spezialisten für Streichinstrumente (Vio­linen, Celli etc.), so hat sich in Chur ein leidenschaftlicher Gitarrenbauer niedergelassen, der mit seinen Gitarren weltweiten Erfolg ergattert hat. Und seine Gitarren sind zumeist aus heimischem Holz, das er akribisch aussucht und lagert. Claudio Pagelli gehört heute zu den weltweit führenden Ausrüstern für Gitarristen der Weltklasse und fertigt seine Instrumente aus Bündner Holz. Es gibt bei ihm massgeschneiderte Gitarren, die für den Musiker speziell handgefertigt werden und die ihren Preis haben, es gibt aber auch sozusagen Massenware. Auf seiner Homepage steht: «Bereits seit einigen Jahren designen wir auch Instrumente für verschiedene Hersteller weltweit, die dann unser Label ‹Designed by Pagelli› tragen. Dies sind Gitarren, elektrische und akustische, die eins zu eins unsere Handschrift haben und auch ‹weniger Begüterten› die Möglichkeit geben, eine ‹Pagelli› zu spielen.» Was mit «weniger Begüterten» gemeint ist, sei hier mal offen gelassen. 

Das Kunsthandwerk mit Holz blüht in Graubünden – allen Widrigkeiten des Hochpreislands Schweiz zum Trotz. Aber es ist ein steiniger Weg.

 

​Die Musikszene in Graubünden lebt

In Davos wird zurzeit in Kleinserie ein Klavier produziert, ein Novum in der Schweiz. Bei der Produktion setzen die Klavierbauer von Piano Rätia auf regionale Materialien und Fertigung. Lob für das Instrument gab es bereits von der Fachpresse. Vom deutschen Fachmagazin «Piano-News» bekamen die Davoser Klavierbauer Bestnoten, ihr Klavier müsse sich vor Konzertklavieren der Topmarken wie Steinway & Sons oder Bösendorfer nicht verstecken. Der nächste Schritt wäre nun ein Flügel in Steinway-Qualität, aber dieser Weg ist lang!

Weitere Infos

Autor Christian Dettwiler ist Redaktionsleiter 
der «Terra Grischuna». Er lebt in Flims.
redaktion@terra-grischuna.ch