Traditionell, Heimisch, neu gedacht

Garten Graubünden, neue Sorten

Dank des inneralpinen Klimas und der steinigen Böden gedeihen Bergkartoffeln im Kanton Graubünden gut. (Foto: graubündenVIVA, Gaudenz Danuser)

Das Revival der alten Kulturpflanzen
Seit den Dreissigerjahren hat man in der Schweiz alpine Landsorten gesammelt. In den Achtzigerjahren entstanden dann im Kanton Graubünden private Initiativen, die sich für die Erhaltung der Vielfalt und des Ackerbaus einsetzten. Diese Entwicklung ist ungebrochen.
Text 
Maya Höneisen

Hansjörg Ladurner freut sich. Für sein Projekt hat er eine passende Landfläche gefunden. Die zehn Aren seines Versuchsfeldes liegen in Zorten. Da will er nun nach dem Prinzip der Dreifelderwirtschaft seine Kulturen anlegen. Anzunehmen, Hansjörg Ladurner sei Bauer, ist aber komplett falsch. Der Südtiroler steht seit zehn Jahren hauptberuflich als Chef im zum Hotel Schweizerhof gehörenden Restaurant Scalottas auf der Lenzerheide in der Küche. Die Leidenschaft für den Ackerbau und den sorgfältigen Umgang mit Ressourcen, die vor Ort zur Verfügung stehen, hat er aus seiner Kindheit mitgenommen. Seine Philosophie ist einfach: Das anbauen und verwerten, was vor der Haustüre vorhanden ist. So, wie es bei Selbstversorgern auf ganz natürliche Weise früher war: «Auf den Tisch kommt, was die Natur gibt.»  
«Im Frühling wird dann gepflügt», knüpft er an sein Experiment in Zorten an. Auch dies wird er nicht auf zeitgemässe Weise tun, sondern mit Pferd und einem alten Pflug. «Ein Pferd ist leichter als die schweren Maschinen, die den Boden verdichten», erklärt er. Ausserdem habe das Pferd – es kutschiert im Winter Touristen durch die verschneite Landschaft – im Sommer ja nichts zu tun und werde so bewegt.

Hans Jörg Ladurner

Hansjörg Ladurner experimentiert in Zorten mit der Dreifelderwirtschaft. (Foto: zVg)

Den ganzen Kreislauf nutzen

Auf seinen zehn Aren will Hansjörg Ladurner auf drei Teilen des Landes abwechselnd Brotgetreide, Kartoffeln und Ackerbohnen anbauen. Was die Kartoffeln anbelangt, steht er mit Marcel Heinrich aus Filisur in Kontakt. Heinrich hat Erfahrung. Vor dreizehn Jahren hat er auf seinem Hof Versuche mit Bergkartoffeln gestartet. Inzwischen sind es 42 Raritäten, die in der ganzen Schweiz Absatz finden. «Die Sorte muss wenig anfällig sein auf Viren und Schorf und hier in Zorten auf 1200 m. ü. M. gut gedeihen», erklärt Ladurner. Auf dem zweiten Teil des Ackers wird er Roggen oder Nacktweizen anpflanzen, Arten, die nicht gespelzt werden müssen. In Zusammenarbeit mit Gran Alpin habe er sich überlegt, was auf dieser Höhe und an diesem Ort sinnvoll sei. Das Getreide wird in der alten noch funktionierenden Mühle, die im Ortsmuseum steht, gemahlen. Das Mehl verarbeitet anschliessend Irene Parpan im restaurierten Backhaus von Zorten. Sie beliefert wiederum damit das Restaurant Scalottas mit Brot. Fehlt noch der dritte Teil. Da hat Ladurner Ackerbohnen vorgesehen. Die Saubohne, wie sie auch genannt wird, war im Mittelalter eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Sie wurde dann durch die grüne Bohne verdrängt, obwohl sie sich sehr gut zum Trocknen eignet und wegen ihres Eiweissgehalts immer eine wertvolle Nahrungsergänzung war. Gerade deshalb und weil sie einfach zu transportieren war, hat man sie gerne auch auf die Maiensässe mitgenommen. Bewirtschaftet wird sein Versuchsfeld selbstverständlich ausschliesslich biologisch. «So, wie man es vor 50 Jahren gemacht hat», erklärte er.   

Alte Landsorten werden für höhere Lagen gekreuzt. Hier ein Getreidefeld oberhalb von Zillis. (Foto: Yanik Bürkli)

​Hanf als Highlight in der Küche

m Schamserberg, im kleinen Dörfchen Lohn, kombiniert Rebecca Clo­path, die Genussdirigentin, wie sie sich selber nennt, althergebrachtes Wissen mit eigener Kreativität. Schon früh wusste sie, dass sie einmal naturbezogen kochen wollte. Die Rückbesinnung auf traditionelle Werte und das, was die Natur vor der eigenen Haustüre hervorbringt, standen bei ihr immer im Fokus. Mit Leidenschaft eignete sie sich Wissen an über Kräu­-ter und Bäume, fasziniert vom echten und ehrlichen Geschmack, der darin steckt. Schon seit ungefähr sieben Jahren beschäftigt sie sich auch mit Hanf. Damals war er noch kein Thema in Schweizer Küchen. Vor rund zwei Jahren gründete sie mit Adrian Hirt von Alpenhirt Tschiertschen und weiteren sechs Pionieren die Alpenpionier AG. Zusammen überlegten sie, wie man Hanf auf den Teller bringen könnte. Hirt arbeitet in Kooperationen mit Bauern, die mit wachsendem Erfolg grosse Hanffelder in der ganzen Ostschweiz bewirtschaften. «Hanf als alte europäische Kulturpflanze ist eine der grössten Nährstofflieferanten, die die Natur zu bieten haben», ist Hirt überzeugt. Dem kann sich auch Rebecca Clopath anschliessen. «Hanf ist durch die Aminosäuren, sein Vitamine und Mineralien sehr gehaltvoll», sagt sie. Spannend sei eigentlich alles an dieser Pflanze, sie sei ein echtes Highlight in der Küche. Durch ihre Experimente habe sie erst erfahren, wie viel man daraus machen könne. Sie hat denn in einem Booklet auch zwölf eigene Rezepte zu Hanf zusammengetragen. Gängig ist der Hanf bei Rebecca Clo­path bereits im süssen Bereich für Smoothies oder Glacé. Gemeinsam mit den Alpenpionieren betreut sie Hanf auf einem Experimentierfeld, THC-frei natürlich. Rebecca Clopath schwebt vor, aus den Blüten Tee, Sirup oder auch Schnaps zu kreieren. «Wer weiss, was alles noch daraus wird, vielleicht auch ein Erfrischungsgetränk wie zum Beispiel eine Limonade», gibt sie sich experimentierfreudig. Der Hanf, so sind sie und die Alpenpioniere überzeugt, birgt noch viel Potenzial in sich. 

Graubünden Hanf

Hanfravioli von Rebecca Clopath. (Foto: Claudia Link)

Weitere Infos

Autorin 
Maya Höneisen ist freie Journalistin und regelmässige Mitarbeiterin der «Terra Grischuna». Sie lebt in Paspels.
m.hoeneisen@wortmarkt.ch

Online 
www.granalpin.ch 
www.prospezierara.ch
www.schweizerhof-lenzerheide.ch 
www.rebecca-clopath.ch
www.alpenpionier.ch