Hopfen und Malz - Gott erhalt's

Seit dem Jahr 2000 werden in Monstein ganzjährig fünf Bierspezialitäten gebraut. (Foto: BierVision Monstein)

Klein- und Kleinstbrauereien im Kanton Graubünden
Eine ganze Reihe von Klein- und Kleinstbrauereien im Kanton Graubünden machen mit ihrem eigenen Bier Ernst. Was nach der Jahrtausendwende seinen Anfang genommen hat, hat sich weiterentwickelt. Sei es aus purer Freude am eigenen Bier oder auch mit klaren Marketingstrategien hinter dem Braukessel.
Text 
Maya Höneisen

Den Anfang machte die damals noch höchstgele­gene Brauerei der Schweiz in Davos Monstein, die BierVision Monstein AG. Gegründet wurde sie im Jahr 2000. Damals sollte in der leer stehenden ehemaligen Käserei ein neuer Betrieb eingerichtet werden, um Arbeitsplätze zu schaffen und Gäste in das kleine Bergdorf zu bringen. Mit einer hauchdünnen Mehrheit entschied sich die Dorfgemeinschaft gegen die Sennerei und für eine Brauerei. Heute hat sie sich etabliert. Ganzjährig werden fünf Bierspezialitäten gebraut. Saisonal wird das Sortiment jeweils noch mit der einen oder anderen Sorte erweitert. Wo möglich verwendet die BierVision zertifizierte Bündner Bioberggerste von Gran Alpin. Für ihr Monsteiner Hausträffel und das Bio-Steinbock-Bier wurde die Brauerei am ersten Swiss Beer Award des Schweizer Brauerei-Verbands im 2017 gar mit zwei Silber­labels ausgezeichnet.

 

Die Bieraria Tschlin hat das erste Bündner Weizenbier mit Weizenmalz aus Graubünden auf den Markt gebracht. (Foto: Bieraria Tschlin)

Brauideen hatten auch die Teilnehmer eines Zukunfts-Workshops in der Gemeinde Tschlin in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends. Mit einem Brauereiprojekt befasste sich der Gemeindevorstand anschliessend im Jahr 2003. Am 30. Juni des folgenden Jahres wurde schliesslich die Bieraria Tschlin SA notariell beglaubigt. Man begann klein: In den Jahren 2005 bis 2008 lieferte die Brauerei jeweils 650 bis 680 Hektoliter Bier aus, das Standardbier «Biera Engiadinaisa», das Winterbier «Boc Dubel da Tschlin» und zwei Sommerbiere. Gebraut wird in der Bieraria aus Engadiner Braugerste. Nachdem im Jahr 2015 mit einem Gross­verteiler eine Vereinbarung getroffen werden konnte, das Biera Engiadinaisa «Tschlin Ambra» zu listen, konnten erstmals über 1000 Hektoliter produziert werden. Anfang 2016 zog die Bieraria in neue Räumlichkeiten nach Martina, eine Fraktion der Gemeinde Valsot, wo die Kapazitäten erweitert werden konnten. Heute werden über 1500 Hektoliter hergestellt. Als besondere Spezialitäten stellt die Brauerei seit dem Jahr 2016 auch einen Tschli­ner Single Malt und einen Bier-Brand her. Auch die Bieraria Tschlin konnte sich erfolgreich am Markt behaupten und wurde dieses Jahr mit dem Bio-Grischun-Preis nominiert.

 

In Edelstahlkesseln wird das Braugut zum Kochen gebracht. (Foto: Käslin Getränke AG)

Nachdem die Bieraria Tschlin nach Martina gezogen war, wurde es, was Bierproduktion anbelangt, wieder ruhig im Dorf. Aber nicht für lange. In einem ehemaligen Heustall richteten Florian und Susanne Geyer die Alpenbrauerei Girun ein. Als Konkurrenz zur Brauerei im benachbarten Martina sieht sich das kleine Familienunternehmen nicht. Die Geyers verfolgen ein eigenes Betriebskonzept in der Erlebnisgastronomie. Nebst dem selbst gebrauten Bier bieten sie im Bistro hausgemachte Kreationen und regionale Produkte an.

In Pontresina bereichert ein weiteres Bier die Brauereilandschaft des Engadins. Im Jahr 2006 begann Daniel Käslin, Geschäftsführer und Mitinhaber der Käslin Getränke AG, an eigenen Biersorten zu tüfteln. Zwei Jahre später wurde mit dem «Bernina Bier» die erste eigene Biersorte angezapft. Erfolgreich, die Nachfrage stieg, im Jahr 2010 konnte in einer LKW-Garage eine kleine Mikrobrauanlage eingerichtet werden. Das ermöglichte die Entwicklung neuer Biersorten. Auch die kleine Anlage wurde bald zu klein. Eine neue 10-Hektoliter-Brauanlage wurde deshalb im Jahr 2016 in einer zusätzlichen Einstellhalle installiert. Heute braut die Brauerei Engadiner Bier sieben Biersorten.

 

In Pontresina werden von der Brauerei Engadiner Bier heute sieben Sorten auf den Markt gebracht. (Foto: Käslin Getränke AG)

In Chur wollte man in Sachen Bierbraukunst und gegenüber dem Rest des Kantons nicht ins Abseits geraten. Im Jahr 2010 gründeten deshalb der Brauer Christian Nold und Lebensmittel­ingenieur Patrick Arnet die Brauerei Chur AG und sie brachten das unfil­trierte Churer Bier auf den heimischen Markt. Leider war dem Bier eher wenig Erfolg beschieden. Der Absatz blieb hinter den Erwartungen zurück. Im Jahr 2014 setzte deshalb die Brauerei Chur AG die Segel neu. Das Churer Bier machte Platz für das Bündner Bier. Bei der Qualitätssicherung wurde wohl mit einem Augenzwinkern diesmal der 9-Biere-Test festgelegt. Er galt als bestanden, wenn nach vorabendlichem Konsum von neun Gläsern, das Bier am nächsten Morgen auch noch schmeckte. Ergebnis der umfangreichen Testreihe war ein pasteurisiertes, kaltfiltriertes Premium-Lager, das die Hersteller als «würzig, süffig und nicht so bitter» bezeichneten. Erweitert wurde das Sortiment mit dem ebenfalls handwerklich gebrauten Bockbier. Die erfolgreiche Platzierung des Bündner Biers in der Bierlandschaft wollte aber nicht richtig gelingen. Bei Redaktionsschluss war zur Zukunft des Bündner Bier nichts zu erfahren.
 

Fast gleichzeitig mit der Brauerei Chur AG begann eine zweite Kleinbrauerei in Chur um die Gunst der Biertrinker zu werben: Sacha Schibli und sein Mitstreiter Roland Paulweber gründeten die Hausbrauerei Stadtbier Chur AG. Es war ein Start mit Hindernissen. Die Brauanlage wurde mit sieben Monaten Verspätung geliefert und konnte wegen technischer Mängel erst sechs Monate später in Betrieb genommen werden. Schiblis Begeisterung fürs Bier blieb. Er wollte trotz allem den Konsumenten mit einem ehrlichen, gehaltvollen, naturbelassenen Bier von hier überzeugen. Nebst dem Stadtbier Blond, dem Pale Ale und dem Jägerbier produziert er auch die 4-Seasons-Biere, ein Amber im Frühling, im Sommer ein Weizen-, im Herbst ein Reisbier und im Winter das Brown Ale. Die Sude sind jeweils auf 2000 Liter limitiert. So auch beim Weihnachtsbier, einem Red Ale, das zu den Festtagen produziert wird.

 

In Davos wagten vier Heimweh-Davoser mit dem Craft Beer den Sprung in die Bierproduktion. (Foto: Davoser Craft Beer)

«Wir sind eigentlich Bürogummis und hatten früher keine Ahnung davon, wie man Bier macht», erklärte der Davoser Marketingberater Jan Caflisch im Juli 2018 gegenüber der «Südostschweiz». Bürogummi hin oder her, zu viert hatten sie kurz zuvor mit einer 50-Liter-Brauanlage den Sprung ins Bierabenteuer gewagt. Markttauglich waren die ersten Gehversuche aber noch nicht: «Man konnte das Bier zwar trinken, für den Verkauf war es aber noch etwas zu herb», beschrieb es Caflisch. Man pröbelte also weiter in Davos, bis die Business-Idee vom Craft Beer Hand und Fuss hatte. Aus den Tüfteleien von Jan Caflisch, Lukas Christen und den Brüdern Stephan und Markus Schlunegger sind inzwischen ein Standardsortiment mit drei verschiedenen Biersorten und mehreren Special Editions geworden. Hilfestellung in der Verkaufsstrategie bietet die «Wildmannli-Gestalt», welche die Bierprodukte in eine sagenumwobene Geschichte verpackt.

Die Geschichte des Domleschger Biers entstand im Jahr 2006 in einer Küche im Domleschg. Ein halbautomatischer Heimbraukessel erlaubte die ersten Gehversuche. Ungefähr 40 Liter Bier entstanden, die zwar noch nicht den Vorstellungen der Brauer entsprachen, jedoch deren Ehrgeiz weckte. Sie beschlossen, eine 500-Liter-Brauanlage selber zu planen und zu bauen. Um das Ganze zu finanzieren, wurde die Rolpibrau-Genossenschaft aus der Taufe gehoben. Zwei Jahre später fand das erste Domleschger Bier den Weg in den Markt. Das Geschäft lief – so gut, dass die Produktionshürden zu hoch wurden. Der Betrieb wurde deshalb eingestellt und die Anlage abgebaut und eingelagert. Zwei Jahre lang schlief sie den Dornröschenschlaf bis sie im Jahr 2014 in einer leer stehenden Sennerei in Feldis zu neuem Leben erweckt wurde. Das Bier fand bald Anschluss an die alten Zeiten. Heute werden rund 5000 Liter an etwa 30 Verkaufsstellen verkauft und die Rolpibrau-Genossenschaft zählt über 100 Mitglieder. «Die Fangemeinde unter den Einheimischen und den Feriengästen wächst», meint Vorstandsmitglied Andreas Gredig. Zusammen mit seinen vier Vorstandskollegen steht er jeweils in der Freizeit für das naturtrübe Amber Bier am Braukessel.

 

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Autorin

Maya Höneisen ist regelmässige freie Mitarbeiterin der «Terra Grischuna». Sie lebt in Paspels. m.hoeneisen@wortmarkt.ch