Stars im Pulverschnee

Schauspieler und Musicalstar Gene Kelly mit Ehefrau Jeanne Coyne 1961 in den Skiferien in Klosters. (Foto: Keystone/rue des archives/AGIP)

Legendäres «Hollywood on the Rocks»
In Klosters fanden sie Ruhe und Erholung: Ganz Hollywood machte früher Ferien im Prättigau. Einer, der einiges darüber weiss, ist Fabrizio D’Aloisio.
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Domenica Flütsch
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zVg

Ein wenig bekannter Teil der Bündner Tourismusgeschichte soll wieder bewusst gemacht werden: Fabrizio D’Aloisio entführt als Kurator einer Publikation in die Zeit, als sich halb Holly­wood in Klosters tummelte. Kein geringerer als Robert Capa, Mitgründer von Magnum Photos, der berühmtesten Fotoagentur der Welt, brachte Peter Viertel und Irwin Shaw nach Klosters und mit ihnen eine illustre Schar an Hollywoodgrössen.

 

Schriftsteller Irwin Shaw in seinem Arbeitszimmer in Klosters 1966. (Foto: Keystone/Fondation Horst Tappe/Horst Tappe)

Ferienort mit Weltruhm

Weltstars wie Greta Garbo, Audrey Hepburn oder Yul Brunner machten Klosters lange vor Prinz Charles und Lady Di zum hochkarätigen Ferienort mit Weltruhm. Die äusserst illustre Gästeschar aus der amerikanischen und britischen Film-, Musik- und Theaterszene sorgte für einen Hauch grosser, weiter Welt und kürte Klosters zum klangvollen «Hollywood on the Rocks». Der in Klosters auf­gewachsene Fabrizio D’Aloisio hat von klein auf in diese Welt hineingeschnuppert und war mit den Berühmtheiten buchstäblich auf Tuchfühlung. Wer kann von sich schon sagen, dass er von Greta Garbo in den Arm genommen wurde? D’Aloisio kann das, und aufgrund seiner Geschichte ist er prädestiniert, diese Zeit in einer Publikation in Erinnerung zu rufen.

«Die meisten Einwohner von Klosters wussten wohl gar nicht, welche Grössen aus Film, Musik, Journalismus, Fotografie oder Politik sich gerade im Dorf oder auf den Pisten tummelten. Und die, die es wussten, liessen es auf sich beruhen. Die Kunst des Understatements pflegen in Klosters ­sowohl Gäste als auch Einheimische, dem ist auch heute noch so.» Dass gerade Fabrizio D’Aloisio so viel darüber mitbekam, lag daran, dass seine ­Mutter Antonietta Haushälterin und Köchin beim weltbekannten Autor Irvin Shaw war und Klein-­Fabri jeweils mit zur Arbeit nahm. «Diese spezielle Atmosphäre, der Lebensstil dieser Zeit, das hat mich geprägt. Noch heute sehe ich das Bild von Shaw vor mir, wie er an seiner Schreibmaschine sitzt und tippt, wie man es sich klischeehaft vorstellt. Das wollte ich auch.» Wohl deshalb ist Fab­rizio D’Aloisio zum Autor, Texter und Fotografen geworden.

 

Das Hochzeitspaar Deborah Kerr und Peter Viertel 1960 auf Kutschenfahrt. (Keystone/Photopress-Archiv/Jules Vogt)

Leinwandgrössen und Weltstars

Die Klosterser Gästeliste der 1940er- und 1950er-Jahre liest sich wie das Who’s Who einer Oscarverleihung. Paul Newman, Yul Brunner und Gregory Peck waren da, Gene Kelly tanzte Gerüchten nach auf den Tischen in der famosen Chesa Grischuna und Rex Harrison soll die Partitur seines Musicals «My Fair Lady» ebenda mit dem Hotelpianisten besprochen haben. Leinwandschönheiten wie Audrey Hepburn, Lauren Bacall oder Deborah Kerr bewegten sich ganz ungezwungen im beschaulichen Ort, trafen vielleicht auf Greta Garbo oder Jackie Kennedy und brachten Stil, Klasse und Glamour ins Bergdorf. Schnell wurde Klosters zum Inbegriff einer paradiesisch heilen, kleinen Welt, ein Hideaway in schönster Natur, mit vielfältigen Sportmöglichkeiten und gepflegter Nonchalance. Der Sog von «Hollywood on the Rocks» zog auch Jahre danach noch amerikanische und britische Gäste nach Klosters, die hier eine zweite Heimat fanden und immer wiederkamen.

«Old Shatterhand» Lex Barker in den Skiferien 1958. (Foto: Key­stone/Mondadori Portfolio)

Peter Viertel und die Anfänge

Der berühmte Drehbuchautor war von einem Schweizer Filmproduzenten mit dem Schreiben eines Drehbuchs beauftragt und in Davos einquartiert worden. Zwecks Inspiration und Zeitvertreib lernte Viertel Skifahren und traf dabei auf Robert Capa, den bedeutenden Kriegsfotografen und Mitbegründer der legendären Fotoagentur Magnum. Dieser hatte Klosters früh für sich entdeckt, schon während des Zweiten Weltkrieges erholte er sich in der heilsamen, friedlichen Bergwelt von den schrecklichen Eindrücken der Kriegsschauplätze seiner Fotoeinsätze. Viertel kam mit Capa nach Klosters und war begeistert. Er lud seinen Freund Irwin Shaw ein und einer folgte dem anderen, Klosters wurde zum fixen Punkt im Reigen der Ferienorte, die die Stars übers Jahr jeweils besuchten. Im Winter waren sie in Klosters, im Frühling an der Côte d’Azur, dazwischen immer wieder in New York, London oder Paris.

Das alte Grand Hotel Vereina. (Foto: Archiv Verein Klosters Tourismus)

Ein typischer Tag im Klosterser Leben des Irwin Shaw

Der Bohème-Lebensstil von damals fasziniert D’Aloisio auch heute noch. «Irvin Shaw hat in Klosters gearbeitet, aber auch die Zeit beim Sport und mit Freunden genossen. Es kam ja nicht einer allein nach Klosters, es war ein Kommen und Gehen von befreundeten Kreativen, die sich gegenseitig inspirierten und austauschten.» Ein typischer Tag bei Irvin Shaw? «Ich war zu klein, um ­das genau mitzukriegen, aber sicher gehörten die folgenden Dinge dazu: Skifahren auf Gotschna-­Parsenn, nachmittägliche Aperifis mit Freunden ­in der Chesa Grischuna und Schreiben bis in die Nacht hinein.»

Und wie war das nun genau mit Greta Garbo? «Sie war eine enge Freundin von Salka Viertel, Peter Viertels Mutter. Garbo hatte die Nase voll vom ganzen Rummel in Hollywood und liebte die Ruhe in den Bergen. Sie war mit den Viertels oft bei den Shaws zu Gast. Als meine Mutter einmal einkaufen war, traf sie Greta Garbo auf der Strasse, und sie nahm mich in den Arm», erzählt D’Aloisio. Mamma D’Aloisio war über viele Jahre für die Shaws ­tätig, «die Mandelbiscuits meiner Mutter waren Shaws bevorzugte Energiequelle fürs Schreiben.» Wenn der Autor die leere Guetzlidose in die Küche stellte, wusste Frau D’Aloisio, dass sie Nachschub backen sollte.

 

Paradiesische Idylle

Worin das Geheimnis von Hollywood on the Rocks wohl lag? Ein wichtiger Faktor spielt sicher die friedliche und unversehrte, paradiesisch an­mutende Idylle als Kontrast zu den Nachwehen der Kriegszeit. Das beschauliche Leben, und unauf­geregte, bodenständig und diskrete Einwohner liessen Hollywoodgrössen ganz normale Menschen sein, ohne Blitzlichtgewitter und Medienrummel. In Klosters war die Welt einfach, überschaubar und in Ordnung. Auch für die grossen Stars.

 

Weitere Infos

Domenica Flütsch ist Texterin und Medienverantwortliche von «800 Jahre Klosters». info@klosters800.ch
Die Publikation von Fabrizio D’Aloisio erscheint im Herbst 2022.