Die Val Müstair – ja, es heisst «die»!

Val Müstair

Blick in die winterliche Val Müstair (Bild Andrea Badrutt)

Um gleich allen Diskussionen den Wind aus den Segeln zu nehmen: Dieses Heft ist «der» Val Müs­tair gewidmet. Das Tal ist im Rätoromanischen weiblich und so bekommen sämtliche in dieser Sprache bezeichneten Täler in den Medien der ­Somedia den weiblichen Artikel. Also: «die» Val Müstair. Es mag für manche Ohren seltsam tönen, aber wir halten uns an die Diktion des Verlags!
Es ist nun in der Tat eine kleine Schatztruhe, dieses Tal, das im Deutschen ganz neutral als Münstertal bezeichnet wird. Und das Münster steht ja da – namensgebend – tatsächlich. Kaiser Karl der Grosse hat es vor 1200 Jahren gegründet. Vermutlich deshalb hat keine andere Ortschaft der Schweiz eine Kaiserstrasse – Via Imperiala –, in Müstair indes gibt es sie, aber im offiziellen Strassenregister taucht sie nicht auf. Die Val Müs­tair hat die kleinste Whiskybar der Welt und die Anzahl Quadratmeter Lebensraum pro Einwohner liegt schweizweit an der obersten Grenze. In der Val Müstair wird auch eine Sprache gesprochen, die einzigartig ist, das Jaurische – letztlich ein rätoromanischer Dialekt, der es aber in sich hat. Und – noch ein Rekord: Die Val Müstair hat bei gesamthaft 1500 Einwohnern die höchste Dichte an «historischen Hotels» der Schweiz! 
Doch das Tal prägen auch Probleme: Die Wirtschaft an der äussersten Ecke im Südosten des Landes quälen Nachwuchsprobleme in der Gas­tronomie, aber auch in den produzierenden Betrieben. Die Jugendlichen verlassen das Tal zu Ausbildungszwecken und kehren selten nach Hause zurück. Die demografischen Prognosen sind düster (ein Drittel weniger Einwohner in 20 Jahren), industrielle Neuansiedlungen sind kaum in Sicht. Und die Diskussion um die für die tou­ristisch so wichtige Anerkennung als Unesco-Biosfera ist noch nicht ausgestanden. Was die einzigartige Naturlandschaft definitiv noch nicht erreicht hat, das Unesco-Label, dessen ist sich das Kloster St. Johann in Müstair seit über drei Jahrzehnten sicher. Doch mit einer Auszeichnung als Weltkulturerbe will umzugehen sein, der Bauhüttenmeister des Klosters hat dazu so manche Anekdote zu erzählen. Und letztlich: Mit Dario Colo­gna hat das Tal für den Langlauf einen ausgezeichneten Werbeträger – aber es ist einiges schiefgelaufen! 
Lernen Sie die Val Müstair mit all ihren Facetten kennen – vielleicht auch aus überraschender Per­spektive. 
Der Magazinteil in der zweiten Hälfte dieses Heftes vermittelt den Eindruck einer ausserordentlichen Fotosammlung, zeigt das lebendige Theaterschaffen im Kanton und vermittelt neue Einblicke in ein Studienprojekt der Universität Zürich. Die «Terra Grischuna»-Schreibwerkstatt begibt sich (vielleicht) in die Val Müstair.
Bei dieser Gelegenheit ist es mir ein Anliegen, mich zu entschuldigen! In der letzten Ausgabe habe ich mehrfach den Komponisten der Oper «Wilhelm Tell» durcheinandergebracht – einmal ist es Giacomo Rossini, dann wieder Puccini! Es ist bekannt, dass noch vor Schillers Theaterwerk An­dré-Ernest-Modeste Grétry eine Opernversion des Themas bearbeitet hat. Das, was aber in der Welt bekannt ist, ist die Tell-Oper von Gioachino Antonio Rossini, die in diesem Jahr an der «Opera Viva» in Obersaxen aufgeführt wird. Bitte verzeihen Sie den Namenswirrwarr.

Viel Vergnügen bei Ihrem virtuellen Aufenthalt in der Val Müstair!
 
Christian Dettwiler
Redaktionsleiter